- Unsere AWO Beratungsstelle ist eine anerkannte Beratungsstelle gemäß §9 Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG). Grundlage unserer Beratungsarbeit bildet das Schwangerschaftskonfliktgesetz, das jedem Menschen das Recht auf Beratung zu allen Fragen der Sexualaufklärung, Verhütung, Familienplanung und zu allen eine Schwangerschaft berührenden Fragen zusichert. Darüber hinaus verpflichtet das Gesetz zur Beratung im Schwangerschaftskonflikt, bevor ein straffreier Schwangerschaftsabbruch vorgenommen werden darf.
- Am 1.8.1980 eröffnete die Arbeiterwohlfahrt Kreis Kleve e.V. die Beratungsstelle für Schwangerschaftskonflikte in Kleve. Hintergrund: Die AWO wollte langfristig die Anzahl ungewollter Schwangerschaften verringern. Die Arbeit begann mit einer Sozialarbeiterin in Vollzeit, einer Verwaltungskraft in Teilzeit, einer Ärztin und einer Psychologin jeweils auf Honorarbasis.
- Bis 1976 war der Schwangerschaftsabbruch verboten. Die Zahl der illegalen Schwangerschaftsabbrüche lag damals in Westdeutschland um 400.000. Die Frauen riskierten Tod, gesundheitliche Schäden und Freiheitsstrafen. Die Reform des §218 im Jahr 1976 sorgte in der Bevölkerung für Unruhe. Nach dem kollektiven Abtreibungsbekenntnis im Stern trieb das Thema teilweise in den Städten 20.000 Menschen auf die Straße und führte zu einer ausufernden Landtagsdebatte. Extreme wie „Mein Bauch gehört mir“ und Abtreibung ist Mord“ wurden laut.
- Von 1976 bis 1992 wurde nach der Indikationsregelung wie folgt beraten: Frauen konnten mit ärztlicher Bescheinigung und nach Besuch einer Beratungsstelle aus sozialen, medizinischen, kriminologischen und eugenischen Gründen abtreiben lassen.
- Danach wurde das Schwangeren- und Familienhilfegesetz verabschiedet und 1993 die sogenannte Beratungsregelung, die eine Fristenregelung mit Beratungszwang beinhaltet, für zulässig erklärt.
- 1995 wurde das Schwangeren- und Familienänderungsgesetz reformiert, das die Bestimmungen des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt und eine Fristenregelung bei vorgeschriebener Beratung beinhaltet. Es ist das Grundgerüst für unsere heutige Beratung.
- Unter bestimmten Bedingungen ist ein Schwangerschaftsabbruch straffrei – und zwar wenn die Frau durch eine Bescheinigung nachweist, dass sie mindestens drei Tage vor dem Abbruch in einer anerkannten Schwangerschaftsberatungsstelle beraten wurde und die Schwangerschaft innerhalb von 12 Wochen nach Empfängnis durch eine Ärztin oder einen Arzt abgebrochen wird.
- Nach dem Ausstieg der kath. Kirche aus der Konfliktberatung wurde das Team der Beratungsstelle am 1.7.2001 um eine Beraterin (halbtags) erweitert. Hinzu kam ein mobiles Beratungsangebot in Geldern.
- 2004 Erweiterung des Teams auf 2,4 Vollzeitstellen und 1,1 Verwaltungskraftstellen aufgrund der steigenden Beratungszahlen und einer erheblichen Unterversorgung in der Anzahl der Beraterinnen in der Schwangerschaftskonfliktberatung im Kreis Kleve.
- Derzeit beschäftigt der AWO Kreisverband Kleve vier Beraterinnen und zwei Verwaltungskräfte in Teilzeit.
- Die Beratungsarbeit hat sich in den letzten 40 Jahren weiterentwickelt und gewandelt. Prävention ungewollter Schwangerschaften und das Entwickeln einer gesunden Einstellung zur eigenen Sexualität führte zu Erweiterung der Beratungsangebote.
- 2003 entwickelte die Beratungsstelle ein vierstündiges sexualpädagogisches Projekt für die weiterführenden Schulen im Kreis Kleve, seit 2005 ebenso ein zweistündiges Projekt für die vierten Grundschulklassen. Informationsveranstaltungen in dem Bereich frühkindliche Sexualität als auch zum Thema Liebe und Behinderung gehören nun zur Arbeit einer Schwangerschaftsberatung.
- Seit 2004 gibt es eine anonyme Chat-Beratung.
- Seit 2008 arbeiten alle Schwangerschaftsberatungsstellen per Gesetzesentschluss aktiv in den Netzwerken der Frühen Hilfen mit.
- Im Jahr 2010 kam der §2a des SchKG hinzu, der die Beratung nach auffälliger PND (Pränataldiagnostik) regelt und die Zusammenarbeit von Ärzten und Beratungsstellen intensiviert.
- Seit 2015 verteilt die AWO Schwangerschaftsberatungsstelle Gelder für werdende Mütter aus der Bundesstiftung Mutter Kind. Die Bundesstiftung Mutter Kind hilft Schwangeren in finanziellen Notlagen.
Auf Basis all dieser gesetzlichen Grundlagen kommen heute Menschen zu uns, die
• ungeplant schwanger sind und Entscheidungshilfe benötigen
• schwanger sind und Informationen zu rechtlichen, sozialen und/oder wirtschaftlichen Belangen brauchen
• Beratung nach der Geburt wünschen bis zum dritten Lebensjahr des Kindes
• Fragen zur Familienplanung und Verhütung haben
• Fragen zur Sexualität oder Probleme mit der Sexualität haben
• Fragen zu vorgeburtlichen Untersuchungen haben
• Beratung zur ungewollten Kinderlosigkeit wünschen
• nach einer Früh-, Tod- oder Fehlgeburt oder einem Abbruch Begleitung brauchen
• Konflikte in der Partnerschaft haben
• eine vertrauliche Geburt wünschen
• Fragen zur frühkindlichen Erziehung/Entwicklung haben
• finanzielle Hilfe aus der Mutter – Kind – Bundesstiftung brauchen
• Projekte oder Informationsveranstaltungen zu unseren Themengebieten durchführen möchten
Das Motto des Beratungsstellen-Teams: „Wir nehmen Ratsuchende mit ihrer Verantwortung und ihrem Recht auf Selbstbestimmung ernst, stärken ihre Ressourcen und unterstützen sie bei ihren Entscheidungen. Beratung soll – so steht es im Gesetz – die zu beratenden Menschen ermutigen und nicht einschüchtern. Sie soll Verständnis wecken und nicht bevormunden. Die Ratsuchenden sollen bei der Entscheidung größere Sicherheit in ihrem Entschluss entdecken, ihre eigenen Bedürfnisse erkennen und Stärke entwickeln.“
21.459 Ratsuchende wurden vom 01.08.1980 bis 31.12.2019 von uns beraten.
- Wir erreichen zusätzlich im Durchschnitt 1200 Personen jährlich durch sexualpädagogische Veranstaltungen / Projekte u.a. in Grund- und weiterführenden Schulen, Institutionen etc.
- Beratung besteht heute zu 35 Prozent aus Schwangerschaftskonfliktberatung, zu 45 Prozent aus Schwangerenberatung, Familienplanung, Paarberatung, Verhütungsberatung, Beratung nach Geburt, PND etc. sowie zu 10 Prozent aus sexualpädagogischen Angeboten für Schulklassen, Jugendgruppen und Eltern
- Zusammenarbeit: Die AWO Beratungsstelle arbeitet mit Gynäkologen, Hebammen, Krankenhäusern, sozialen Institutionen, Gleichstellungsbeauftragten, anderen Beratungsstellen, Hochschulen, Schulen, Kindergärten, Polizei etc. zusammen und ist in diversen Arbeitskreisen, kreis- und landesweit vertreten.
- Die AWO Beratungsstelle vergibt individuelle Termine und ist dazu werktags von 8 bis 13 Uhr telefonisch unter 02821 / 97 68 377 oder per Mail unter beratung@awo-kreiskleve.de zu erreichen. Auch unter Covid 19 sind wir täglich erreichbar! Sollten Betroffene Symptome einer Erkrankung zeigen, kann in Ausnahmefällen telefonisch beraten werden, so wie es auch im Lockdown gehandhabt wurde.
Ziele und Wünsche
- Politisch begrüßt die AWO Beratungsstelle sehr, dass, nach dem Kompromiss zu §219a StGB im Jahr 2019, eine Liste mit Ärzten, die Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland durchführen, auf der Seite der Bundesärztekammer abrufbar ist.
- Die AWO setzt sich weiterhin gegen den gesetzlichen Beratungszwang im Schwangerschaftskonflikt ein.
- Für Kleve wünschen wir uns einen Verhütungsmittelfonds, der Menschen in einer finanziellen Notlage unterstützt.
Das Beraterinnenteam (v. li. n. re.): Nicole Saat (Leiterin der Beratungsstelle), Milena Wehren, Andrea Harks und Kathrin Stamm (Foto: Archiv).